Meinung Bürokratie-Irrsinn
Wir dürfen keinen Koch aus China einstellen, weil wir kein China-Restaurant sind
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In der Dreisterne-Küche unseres Autors wird Englisch gesprochen – kaum ein Deutscher mag sich die fordernde Arbeit in einem Restaurant noch antun. Dafür erschwert es die deutsche Bürokratie auf irrwitzige Art und Weise, Ausländer einzustellen.
Hätte mir jemand vor zehn Jahren gesagt, dass die Verkehrssprache in meiner Küche einmal Englisch sein würde, ich hätte demjenigen wahrscheinlich einen Vogel gezeigt. Heute ist meine Küchenbrigade so international besetzt, dass es nicht mehr anders geht. Wenn wir zu zehnt in der Küche stehen, sind drei Deutsche dabei, die anderen Mitarbeitenden kommen unter anderem aus Portugal, Griechenland, Rumänien, Südkorea und Malaysia. Ich spreche hier nicht von Hilfskräften, sondern von ausgebildeten Köchinnen und Köchen, die zuvor in anderen renommierten Restaurants auf der ganzen Welt gearbeitet haben.
Unser Kollege aus Malaysia hat seine Ausbildung in der Hotelfachschule in Lausanne absolviert. Der demografische Wandel entsteht übrigens keineswegs, weil Zuwanderer den Deutschen die Arbeit wegnehmen. Die traurige Realität ist vielmehr, dass sich in Deutschland nur wenige Angehörige der Generationen Y oder Z die körperlich fordernde Arbeit in unserer Küche zumuten möchten.
Chefkoch alleine mit Hilfskraft
Dabei jammern wir noch auf hohem Niveau, weil wir die Anziehungskraft eines international hoch angesehenen Restaurants genießen. Richtig bitter wird es in der gehobenen Küche mit einem Michelin-Stern. In diesem Segment müssen immer mehr Lokale schließen, weil sie keine qualifizierten Leute finden.
Mein Ausbildungsbetrieb, das Restaurant von Gutbert Fallert in Sachsbachwalden, 41 Jahre lang mit einem Stern ausgezeichnet, hat deshalb schon 2021 dichtgemacht. Dem Ausbildungsbetrieb meiner Sous-Chefin Sarah in Remscheid wurde 2020 der Stern aberkannt, weil Chefkoch Ulrich Heldmann allein mit einer Hilfskraft in der Küche stehen musste. Der Verlust dieser Auszeichnung kann für ein Restaurant existenzbedrohend sein.
Das auch:
Der Fachkräftemangel zieht sich durch das ganze Handwerk. Früher habe ich meine Freunde in Portugal ausgelacht, wenn sie mir erzählten, sie müssten in der Vertragswerkstatt sechs Wochen auf eine Autoreparatur warten. Wer gerade versucht einen Termin für den Reifenwechsel zu bekommen, lacht nicht mehr. Da fragt man sich, was aus unserem Land geworden ist. Dabei verkündet unser Arbeitsminister, dass jede ausgebildete Fachkraft bei uns auch arbeiten darf – was mich zum eigentlichen Anlass dieser Kolumne bringt. Weil unser Restaurant in Asien einen exzellenten Ruf hat, bekomme von dort ich viele Bewerbungen. Die bürokratischen Hürden, die zu überwinden sind, um jemanden aus Asien nach Deutschland zu holen, lassen mich manchmal verzweifeln.
Einen jungen Mann aus Hongkong, einen ausgebildeten Koch mit besten Referenzen, hätte ich gern eingestellt, nachdem er vier Wochen auch zur Probe gearbeitet hatte. Er hat in New Yorker Sternerestaurants gearbeitet und war zuletzt Chef-Poissonier bei Richard Ekkebus im „Amber“ in Hongkong. Wir haben einen Aufenthaltstitel für ihn beantragt, der ihm nach monatelangen Verhandlungen mit einer irrwitzigen Begründung verweigert wurde: Da wir kein China-Restaurant seien, bräuchten wir auch keinen chinesischen Koch.
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Seit März versuche ich, eine Arbeitsgenehmigung für eine ausgebildete Patissière aus Singapur zu bekommen, die ebenfalls in mehreren Sternerestaurants in New York sowie im „Mandarin Oriental“ in Hongkong tätig war. Der Antrag wurde gerade zum zweiten Mal abgelehnt. Die Ausländerbehörde hatte bei der Handelskammer angerufen, und die will ihren Ausbildungsbescheid nicht anerkennen. Geht’s noch?
Der von Olaf Scholz versprochenen Bürokratieabbau hat sich offenbar noch nicht in jeder Amtsstube herumgesprochen. Selbst wenn man als Vertreter einer Unternehmensgruppe mit 10.000 Angestellten auftritt und die Gewerbesteuer erwähnt, bekommt man als Antwort: Hier sind Sie auch nur eine Nummer. Bei so viel Borniertheit könnte man glatt ausflippen.
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Author: Justin Krueger
Last Updated: 1703182802
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